Einzel-GdB 10 für die Wirbelsäule:
keine radikulären und elektrophysiologisch fassbaren Veränderungen sowohl im Bereich der LWS als auch HWS.
Keine Bewegungseinschränkungen, lediglich geringe funktionelle Auswirkungen i. S. v. seltenen und kurzen dauernd auftretenden leichten Wirbelsäulensyndromen.
Finger – Boden – Abstand 0 cm.
Lateralflexion des Rumpfes und Rotation ungestört.
Muskeltonus insgesamt unauffällig, insbesondere ohne spastische Zeichen und Faszikulieren.
Keine Atrophien.
Im Armvorhalteversuch und im Beinhalteversuch keine Absinktendenz.
Die Zeichen nach Lasègue beidseits negativ.
Die L5-korrelierten Tibilas-SSEP sowie die C5/6-korrelierten Medianus-SSEP zeigen Normalbefund.


SG Aachen 18. Kammer
09.01.2018
S 18 SB 1001/16
Juris



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 40.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten erstmals am 11.05.2016 die Feststellung eines GdB. Zur Begründung führte sie psychiatrisch, gastroenterologisch sowie durch eine Skoliose bedingte Funktionsstörungen, ferner einen Lagerungsschwindel, ein Karpaltunnelsyndrom beidseits, einen Fersensporn, ein Lipödem und Störungen des Lymphsystems an.

Die Beklagte holte einen Gastroskopiebericht des medizinischen Zentrums B. – Klinik für Innere Medizin/ Gastroenterologie (2/2014), Arztbriefe des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. U. (2/2015) der Gemeinschaftspraxis für Diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin Dres. H. (6-9/2015), einen Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik für Psychosomatik Q. - (1/2016) sowie Befundberichte der Augenärztin Dr. Q., des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie M. und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. C. mit ärztlichem Kurzbrief der Q. – Klinik (1/2016) sowie einen Entlassungsbericht der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie E. (7/2016) ein.

Nachdem versorgungsärztlich eine psychische Störung mit einem Einzel – GdB von 30 und eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem Einzel – GdB von 10 bewertet wurden, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10.08.2016 bei der Klägerin ab Antragstellung einen GdB von 30 fest.

Hiernach erreichte die Beklagte ein Arztbrief Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie E. (8/2016), bevor die Klägerin am 18.08.2016 Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.08.2016 einlegte. Der behandelnde Facharzt für Psychiatrie M. sowie die Psychotherapeutin Dr. B seien mit der Klägerin der Auffassung, dass der GdB mit 30 erheblich zu niedrig bemessen worden sei.

Hierauf holte die Beklagte einen Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. mit einer gutachterlichen Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. zu einem Antrag für eine medizinische Rehabilitation (10/2015) ein.

Nachdem in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme kein Anlass zu einer Abhilfe erkannt wurde, wies die Bezirksregierung N. den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2016 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.10.2016 unter Wiederholung ihrer Widerspruchsbegründung Klage erhoben.

Das Gericht hat Befundberichte des Herrn M., der Frau Dr. B. und des Facharztes für Hals – Nasen – Ohrenheilkunde Dr. C. eingeholt.

Sodann hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Schmerztherapie Dr. I. vom 18.07.2017. Die Sachverständige hat bei der Klägerin eine Funktionsstörung der Psyche festgestellt, die sie mit einem Einzel – GdB von 40 bewertet hat. Hinzu trete eine Funktionsstörung der Wirbelsäule, die bei einem Einzel – GdB von 10 in festzustellenden Gesamt – GdB nicht erhöhe.

Die Klägerin teilt mit, diese Beurteilung werde der Erkrankung und den damit verbundenen Leiden nicht gerecht und sei deshalb nicht akzeptabel. Sie hat ein Attest der Frau Dr. B. vorgelegt, nachdem sie nicht in der Lage sei an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

Die Klägerin beantragt schriftlich sinngemäß, die Beklagte zu verpflichten, bei ihr – der Klägerin – unter Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 ab Antragstellung einen höheren GdB als 40 festzustellen.

Die Vertreterin der Beklagten erklärt: Die Beklagte verpflichtet sich, bei der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 ab Antragstellung, dem 11.05.2016, einen GdB von 40 festzustellen.

Im Übrigen beantragt sie, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach – und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I. Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist unbegründet, soweit sie über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinausgeht.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von über 40.

II. Maßgebliche Bestimmung für die Feststellung des GdB ist § 152 in der ab 01.01.2018 gültigen Fassung vom 23.12.2016 (Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG; BGBl I 2016, 1824) des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) (§ 69 SGB IX a. F.). Nach Abs. 1 Satz 1 der genannten Bestimmung stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiell-rechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt nach S. 2 vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Durch diese zum 01.01.2018 in Kraft getretene, sich an Art. 1 der UN – Behindertenkonvention anlehnende neue Formulierung eines erweiterten Behinderungsbegriff nach dem biopsychosozialen Modell der Behinderung, sind inhaltlich im Vergleich zur vorangegangenen Definition der Behinderung in § 2 Abs. 1 SGB IX a. F. keine inhaltlichen Änderungen erfolgt (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9522, S. 226: "Rechtsklarheit"; zu § 2 Abs. 1 a. F.: Urteil der Kammer vom 24. Oktober 2017 – S 18 SB 460/16 –, Rn. 41 ff., juris m.w.Nachw.).

Nach § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14.01.2015 gültigen Fassung galten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) - nach dem sich die Beurteilung des Schweregrades, dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS), nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen richtet - und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Auf Rechtsgrundlage der Vorgängervorschrift des § 30 Abs. 16, dem Abs. 17 des § 30 BVG in der bis zum 30.06.2011 gültigen Fassung, wurde mit Wirkung zum 01.09.2009 die Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und des § 35 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 08.12.2008 erlassen, die die bis zu diesem Zeitpunkt für die Bewertung des Grads der Behinderung maßgeblichen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2008 (AHP 2008), ablösten. Den vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen AHP kam zwar keine Rechtsnormqualität zu, es handelte sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aber um antizipierte Sachverständigengutachten mit normähnlicher Wirkung (BSG, Urteil vom 30. September 2009 - B 9 SB 4/08 R -, juris; Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 9; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205). Da insbesondere die maßgebliche Anlage 2 zu § 2 VersMedV, die die so genannten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VMG) beinhaltet, im Wesentlichen den AHP entspricht (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.), waren mit dem Wechsel keine erheblichen inhaltlichen Änderungen verbunden (BSG, Urteil vom 30. September 2009 - B 9 SB 4/08 R -, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Dezember 2009 - L 11 SB 352/08 -, juris). Im Unterschied zu den AHP handelt es sich bei der VersMedV aber um eine Rechtsverordnung, d.h. eine für Verwaltungen und Gerichte verbindliche untergesetzliche Rechtsnorm, die im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen ist (BSG, Urteil vom 30.September 2009 - B 9 SB 4/08 R, juris; BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 SB 3/08 R –, Rn. 29, juris; Urteil der Kammer vom 24. Oktober 2017 – S 18 SB 460/16 -, Rn. 39 ff., juris).

Zum 15.01.2016 hat der Gesetzgeber in § 70 Abs. 2 SGB IX das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Diese Ermächtigung findet sich seit dem 01.01.2018 in § 153 Abs. 2 SGB IX (näher: Goebel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 153 SGB IX, Rn. 5). Solange noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten indes gemäß § 241 Abs. 5 SGB IX (159 Abs. 7 SGB IX a.F.) weiterhin die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend (vgl. hierzu BT-Drucksache 18/3190, S. 5; vgl. hierzu weiter, Urteil der Kammer vom 24. Oktober 2017 – S 18 SB 460/16 -, Rn. 26, juris).

Der hier streitigen Bemessung des GdB ist damit die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A, S. 33) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 33).

Die Bemessung des GdB folgt dabei nicht starren Beweisregeln, sondern ist aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der Versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrachtungsweise festzustellen (BSG, Urteil vom 24. April 2008 – B 9/9a SB 10/06 R -, Rn. 28, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Juni 2012 – L 13 SB 127/1 -,Rn. 42, juris unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11. März 1998 - B 9 SB 9/97 R -, Rn. 10, juris m.w.N.).

III. Diesen Grundsätzen folgend rechtfertigen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin im hier maßgeblichen Prüfungszeitraum vom 11.04.2016 (Antragstellung) bis zum 09.01.2018 (Tag der mündlichen Verhandlung) die Feststellung eines höheren GdB als 40 nicht. Dies ergibt sich für die Kammer aus einer Gesamtschau der vorhandenen ärztlichen Unterlagen, insbesondere den medizinischen Feststellungen in dem eingeholten Sachverständigengutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. I. vom 18.07.2017.

Die Klägerin leidet unter folgenden Gesundheitsstörungen:

- Funktionsstörung des Gehirns einschließlich der Psyche (Einzel – GdB 40)

- Funktionsstörung des Rumpfes (Einzel – GdB 10)

1. Die Klägerin leidet im Bereich des Funktionssystems "Gehirn einschließlich Psyche" nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. I., die im Wesentlichen mit den Diagnosen des Neurologen und Psychiaters M. und der Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. B. übereinstimmen, unter einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Flashbacks, Intrusionen, Albträumen, erhöhter Ängstlichkeit, Vermeidungsverhalten und rezidivierenden (seit 2007) depressiven Episoden, derzeit mittelgradig (gravierender vor Durchführung einer Rehabilitationsbehandlung – vergleiche das ärztliche Gutachten der Fachärztin für Psychotherapie und Psychiatrie Dr. G. für die DRV nach Beantragung der Durchführung der Rehabilitationsbehandlung vom 12.10.2015) mit im Vordergrund stehender Antriebsstörung, Einschränkung der Tagesstrukturierung, sozialem Rückzugsverhalten, Schwierigkeiten in der Bewältigung der Alltagsaufgaben und des beruflichen Bereiches; ferner an einer Agoraphobie mit massiven Ängsten und Vermeiden des selbstständigen Verlassens des Hauses ohne Begleitung, Ängsten in umgrenzten Gebäuden oder öffentlichen Transportmitteln, Panikstörungen mit zum Teil Panikreaktion nach Albträumen sowie durch unvorhergesehene Ereignisse, eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline – Typ mit erheblichen affektiven Schwankungen, zum Teil Einschränkungen der Impulskontrolle, selbstverletzendem Verhalten, Essattacken bei erhöhten Anspannungen im Sinne von atypischen Essstörungen mit Binge-Eating.

Mit der nachvollziehbaren sozialmedizinischen Bewertung der Sachverständigen resultiert bei der Klägerin hieraus eine psychische Störung mit erheblichen Einschränkungen der Erlebnis – und Gestaltungsfähigkeit, die mit einem Einzel – GdB von 40 zu bewerten ist. Diese Beurteilung wird gestützt durch eingeholten Befundbericht des (bis Februar 2017) behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M., der vertraut ist mit der Beurteilung psychiatrischer Störungen nach dem Schwerbehindertenrecht und von der Kammer daher häufig als Sachverständiger benannt wird. Die Bewertung der behandelnden ärztlichen Psychotherapeutin Dr. B., die einen GdB von 70 erkennen will, entbehrt nach Auffassung der Kammer jeder Rückbindung an die rechtlichen Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.

Nach diesen (Teil B Nr. 3.7) werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 80 bis 100 bewertet.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können zur Auslegung der Begriffe "mittelgradige" und "schwere" soziale Anpassungsschwierigkeiten die vom ärztlichen Sachverständigenbeirat am Beispiel des "schizophrenen Residualzustandes" entwickelten Abgrenzungskriterien herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 -, Rn. 43, juris, unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19. März 1998 und vom 8./9. November 2000; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.02.2013 - L 11 SB 245/10 -, Rn. 45 ff., juris; vgl. auch Wendler/Schillings, Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil B Ziffer 3.7; Steffens, in: Nieder/Losch/Thomann, Behinderungen zutreffend einschätzen und begutachten, B 3, S. 86 ff.). Danach werden leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten angenommen, wenn z. B. Berufstätigkeit trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich ist (wesentliche Beeinträchtigung nur in besonderen Berufen, z. B. Lehrer, Manager) und keine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften, z. B. keine krankheitsbedingten wesentlichen Eheprobleme bestehen. Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, sind nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, Teil B: GdS-Tabelle-19, 96. Lfg. – Stand Dezember 2011) durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 8./9.11.2000, Rohr/Sträßer, a.a.O., GdS-Tabelle-18). Grundzüge der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit finden ihren Niederschlag in den Beschreibungen der weiteren Bereiche der Teilhabe gemäß der ICD (International Classification of Diseases): tägliche Routine durchführen, mit Stress umgehen, Kommunikationsfähigkeit, Mobilität, Selbstversorgung, auf Gesundheit achten, häusliches Leben, Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfes beschaffen, Mahlzeiten vorbereiten, Hausarbeiten erledigen, anderen helfen, mit Fremden umgehen, Erholung und Freizeit, politisches Leben u.a ... Auch die familiäre und soziale Erlebnis- sowie die berufliche Gestaltungsfähigkeit sind einzubeziehen. Dabei ist eine Abgrenzung zu den Kriterien für mittelgradige soziale Anpassungsstörungen zu wahren (vgl. Steffens, in: Nieder/Losch/Thomann, Behinderungen zutreffend einschätzen und begutachten, B 3, S. 86 89 f.). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten werden angenommen bei einer in den meisten Berufen sich auswirkenden psychischen Veränderung, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefährdung einschließt; als weiteres Kriterium werden erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung genannt, aber noch keine Isolierung, noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der z. B. eine vorher intakte Ehe stark gefährden könnte. Schließlich liegen nach dieser Einstufung schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten dann vor, wenn die weitere berufliche Tätigkeit sehr stark gefährdet oder ausgeschlossen ist; als weiteres Kriterium werden schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- oder Bekanntenkreis bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder Bekanntenkreis benannt (LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.02.2013 - L 11 SB 245/10 -, Rn. 45 ff., juris; SG Aachen, Urteil vom 16. April 2013 – S 12 SB 1136/12 –, Rn. 35, juris).

Hiernach ist die sozialmedizinische Bewertung der Sachverständigen Dr. I. mit einem GdB von 40 rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar erfüllen die bei der Klägerin durch ihre psychiatrische Erkrankung festzustellenden Teilhabebeeinträchtigungen zum Teil bereits Kriterien einer mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeit. Überwiegend weisen die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen indes auf eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis – und Gestaltungsfähigkeit, so dass im hierfür vorgesehenen Rahmen eines GdB von 30-40 die Sachverständige und mit ihr zuletzt die Beklagte einerseits zu Recht den höheren Wert ansetzen, andererseits keinen GdB von 50 erkennen:

Die Sachverständige hat dargelegt, die seelische Störung entspreche in ihren Auswirkungen einer mittelschweren Störung mit erheblicher Einschränkung der Erlebnis – und Gestaltungsfähigkeit im oberen Ausmaß.

Im psychopathologischen Befund hat sich der Sachverständigen, vergleichbar zu der Beschreibung Herrn B., in dessen Befundbericht vom 17.11.2016, eine bewusstseinsklar, allseits orientierte, gut zugewandte, freundliche und kooperative Klägerin gezeigt. Die Klägerin habe sehr gefasst und kontrolliert in ihren Angaben gewirkt, habe klar, in logischer Abfolge, detailreich über ihr Leben ohne Hinweise auf Verdeutlichungstendenzen oder Aggravation (andere Hinweise in der testpsychologischen Auswertung zum Schmerzerleben in der Schmerzsimulationsskala nach Bikowski) berichtet. Dabei sei – auch im Vergleich mit anderen an einer entsprechenden psychischen Problematik leidenden Personen – bei der Klägerin die geringe Spürbarkeit des Leidens auffällig, das sich der Sachverständigen nicht emotional übertragen habe, sondern über das von der Klägerin berichtet worden sei, ohne dass sich hierbei besondere Zeichen von Anspannung dargestellt oder Hinweise z.B. auf Dissoziationen bestanden hätten.

Die Stimmungslage habe bei erhöhter Anspannung relativ ausgeglichen gewirkt, sei von der Klägerin indes labil mit depressiven Auslenkungen, massiven Spannungszuständen und dem Versuch der Regulation über Essen oder auch selbstschädigendes Verhalten in Form von Ritzen mit Rasierklingen, das momentan mit einmal im Monat recht wenig ausgeprägt sei, beschrieben worden. Diesbezüglich seien am linken Unterarm abgeheilte Vernarbungen festzustellen gewesen, die durch eine große Tätowierung überdeckt gewesen seien. Am rechten Unterarm hätten sich frisch abgeheilte Vernarbungen gefunden. Insofern sind hier einerseits zwanghaft anmutende Handlungen objektiviert, nicht aber eine schwere Zwangskrankheit im Sinne der Z. 3.7 VMG.

Die Lebensfreude der Klägerin hat Frau Dr. I. als erheblich bis stark eingeschränkt beschrieben. Es werde ein erheblicher Leidensdruck geschildert. Andererseits seien Lebensfreude und Vitalität bei erhaltener emotionaler Schwingungsfähigkeit nicht weitgehend verloren. So sei die Dynamik und Entschlusskraft der Persönlichkeit durchaus spürbar erhalten, wenngleich zum Aufbau der kontrollierten und emotional relativen Ausgeglichenheit im Kontext der Begutachtung durchaus ein erheblicher Kraftaufwand angenommen werden könne.

Das Antriebsniveau sei im Rahmen der Begutachtung unauffällig gewesen, werde von der Klägerin dazu kontrastierend subjektiv als hochgradig gestört empfunden und geschildert. Psychomotorisch habe die Klägerin leicht angespannt gewirkt. Hinweise auf psychotisches Erleben oder Suizidtendenzen seien nicht vorhanden.

Im Kontakt mit der Sachverständigen ist weiterhin keine erhöhte Ängstlichkeit deutlich geworden. Die Klägerin habe klaren Blickkontakt gehalten, auch beim Berühren der Erinnerungen an eine brutale und ängstigende Vergewaltigung, im Jahr 2002, bezüglich der sie sich erst im Jahr 2016 (vergleiche den Reha Entlassungsbericht der Q.- Klinik aus dem Januar 2016) offenbart hat. Dennoch deutlich geworden seien Insuffizienzgefühle, Scham bezüglich des Erlebens der Vergewaltigung wie auch bezüglich ihres erheblichen Übergewichtes.

Ein erheblich schlechterer psychopathologischer Befund fand sich zuletzt vor Durchführung der Rehabilitationsbehandlung im Gutachten der Frau Dr. E. Dort wurde noch eine stark depressive und perspektivelose Stimmungslage beschrieben. Das Antriebsniveau war seinerzeit deutlich vermindert. Trieb– und Willensstörungen oder Wahrnehmungsstörungen konnten jedoch auch zu dieser Zeit nicht festgestellt werden. Es bestanden auch keine Ich-Störungen, die Urteils – und Kritikfähigkeit war normal erhalten. In der Persönlichkeit zeigten sich deutlich regressive Tendenzen mit einer Neigung zur Somatisierung. Es fanden sich multiple Ängste, mit einer ausgeprägten Selbstwertproblematik ohne dass eine manifeste Angststörung zu diagnostizieren war.

Die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen bei der beruflichen Tätigkeit sind deutlich, als seit Herbst 2015 ärztlich Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird. Nach Einschätzung der Sachverständigen Dr. I. versagten auf dem Boden der Selbstunsicherheit und Selbstwertproblematik insoweit kompensatorische Kräfte der Klägerin, um die Arbeitssituation fortzusetzen, weil die Klägerin sich an ihrem Arbeitsplatz gemobbt und gering geschätzt fühlte und sich sexuellen Belästigungen ausgesetzt sah (vergleiche auch Befundbericht der Frau Dr. B. vom 15.11.2016), die zu Flashbacks hinsichtlich der Vergewaltigung geführt hätten (vgl. o.a. Befundbericht der behandelnden ärztlichen Psychotherapeutin). Insofern steht die Arbeitsunfähigkeit auch im engen Zusammenhang mit dem konkreten Arbeitsplatz der Klägerin. Eine verminderte Berufs– oder gar Erwerbsfähigkeit ist daraus hingegen nicht abzuleiten. Aus dem Entlassungsbericht der Q. – Klinik D. aus dem Januar 2016 geht hervor, dass die Klägerin bezogen auf ihre letzte berufliche Tätigkeit als Arzthelferin im Umfang von 6 Stunden für arbeitsfähig gehalten werde. Sofern weiterhin erklärt wird, die Klägerin sei als arbeitsunfähig entlassen worden, handelt es sich dabei offenbar um ein Versehen, da im Weiteren bekräftigt wird, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere körperliche Arbeiten verrichten könne. Eine eventuelle stufenweise Wiedereingliederung solle durch den Hausarzt eingeleitet werden. Die Klägerin habe diese Einschätzung geteilt.

Die Klägerin wünscht sich eine Anpassung ihres konkreten Arbeitsplatzes an ihre psychischen Beeinträchtigungen, die die Klägerin als Antriebslosigkeit beschreibt. Sie sei emotional sehr instabil, fühle sich überfordert, minderwertig und nutzlos. Sie könne das Haus nicht allein verlassen und fühle sich ständig bedroht, beobachtet und verfolgt und habe Angst, dass sie überfallen oder erneut vergewaltigt werden könnte. Sie leide unter Ein- und Durchschlafstörungen, begleitet von Albträumen. Drucksituation führten zu psychosomatischen Reaktionen in Form von gastrointestinalen Störungen und den beschriebenen Schlafstörungen. Zu gegebener Zeit beabsichtigt die Klägerin sich mit dem Betriebsrat und dem Betriebsarzt in Verbindung zu setzen. Aus der im Anschluss zur Stabilisierung der positiven Ergebnisse der Rehabilitationsbehandlung konsultierten Tagesklinik E. wird in einer Einlassmitteilung vom 22.07.2016 indes, trotz einer guten Stabilisierung, - im Widerspruch zum Entlassungsbericht der Q. – Klinik – weiterhin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt (siehe auch den ausführlichen Bericht vom 09.08.2016).

Die subjektiv empfundenen Einschränkungen des Konzentrationsvermögens konnten von der Sachverständigen im Rahmen der mehrstündigen Exploration nicht festgestellt werden.

Die Strukturierung des Alltages beschreibt die psychiatrische Sachverständige Dr. I. im Gesamtbild mit erheblichem Kraftaufwand möglich, insbesondere durch äußere Taktgeber wie verpflichtende Termine, Fremdantrieb durch Partner und Verabredungen, während die Klägerin in der Schilderung ihres Tagesablauf quälende Angstgefühle, Antriebslosigkeit und den Zwang zum Essen und gelegentlichen Selbstverletzungen ("Ritzen") ins Zentrum stellt. Sie bestätigt indes auch die Fähigkeit zur Einhaltung von Terminen und beschreibt im Weiteren Aktivitäten mit ihrem Ehemann, Freunden oder ihrer Mutter.

Weiter ist in der gutachterlichen Exploration eine liebevolle Gestaltung der 2008 geschlossenen Ehe der Klägerin deutlich geworden. Die Klägerin bezeichnet ihre Ehe als problemlos – perfekt. Im zwischenmenschlichen Kontext bestünden keine vermehrten Spannungen bzw. Konflikte, wobei sich mäßige bis teilweise deutliche soziale Rückzugstendenzen zeigten. Im Rahmen der Begutachtung habe sich nach Beurteilung der Sachverständigen keine schwer gestörte Beziehungsgestaltung zur mitmenschlichen Umwelt feststellen lassen. Die Kontakte im familiären Kontext (Eltern und Schwester) sowie zu einigen Freundinnen seien mit gutem Niveau erhalten, gleichwohl das Aktivitätsniveau als reduziert beschrieben werde. Die Klägerin habe einen guten Kontakt zu den Nachbarn; eine Nachbarin habe ihr Blumenkästen auf dem Balkon bepflanzt und bringe ihr auch öfters etwas vom Markt mit.

Die Klägerin hat bestehende Hobbys z. B. in Form von Häkeln (unter anderem einmal monatlich Besuch eines "Stricktreffes" in A. gemeinsam mit der Mutter), Lesen und dem Hören von Hörbüchern, Ausführen ihres Hundes in Begleitung; zudem die Möglichkeit, in Urlaub zu fahren, beschrieben.

Im Fremdbeurteilungstest "Mini ICF", der zur Quantifizierung von Funktionsstörungen eingesetzt wird, ist die Sachverständige bei der Unterscheidung zwischen leichten, mittelgradigen und schweren Funktionsstörungen zu dem Ergebnis einer mittelgradigen Störung im unteren Bereich (16 von 52 Punkten) gekommen, dass ihre Gesamtbewertung abgerundet.

Nach Einschätzung der Sachverständigen besteht die eindeutige Indikation zu einer psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung, die die Klägerin auch in Anspruch nimmt, wobei verhaltenstherapeutische Sitzungen wöchentlich stattfinden und die nervenärztliche Konsultation quartalsweise, vorrangig zur Abholung von Rezepten und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, erfolgt. Eine entsprechende Behandlung ist nach Einschätzung Dr. I. dabei langfristig erforderlich. Psychopharmakologisch wird die Klägerin mit täglich 300 mg Venlafaxin, 150 mg Quetiapin i.V.m. Busp 10 mg 3 x 1 behandelt.

In der Vorgeschichte finden sich voll- bzw. teilstationäre Behandlungen. Ab dem 01.12.2015 war die Klägerin fünf Wochen in einer psychosomatischen Rehabilitation in der Q. – Klinik D., gefolgt von zwölf Wochen Tagesklinikbehandlung in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie E. (ab dem 03.05.2016. Hieran hat sich die aktuelle psychotherapeutische Behandlung angeschlossen.

2. Im Funktionssystem "Rumpf" leidet die Klägerin nach den Feststellungen der neurologisch – psychiatrischen Sachverständigen unter Auswertung der aktenkundigen Befunde (vergleiche insbesondere die radiologischen Arztbriefe aus der Radiologie B. – Dr. I.- vom 21.09.2015 und vom 30.09.2015) unter einer mäßigen Facettengelenksarthrose im Bereich der Lendenwirbelsäule, die zu einer rezidivierenden Lumbago, zum Teil mit Ausstrahlung ins rechte Gesäß. Weiterhin bestehen Nackenbeschwerden. Die Bewertungen einem Einzel – GdB von 10 ist und der rechtlichen Auspizien zutreffend.

Gemäß Teil B Nr. 18.9 der VMG sind Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10 anzusetzen. Erst Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) werden mit einem GdB von 20 bewertet. Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde Wirbelsäulensyndrome) werden mit einem GdB von 30 bewertet.

Anhaltende Funktionsstörungen infolge von Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe wären zusätzlich zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für außergewöhnliche Schmerzsyndrom, bei denen auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen ein GdB von über 30 Betracht käme.

Derartige Störungen sind bei der Klägerin nicht festzustellen. Die Sachverständige hat insbesondere dokumentiert, dass keine radikulären und elektrophysiologisch fassbaren Veränderungen vorliegen. Dies betrifft sowohl den Bereich der LWS, als auch den der HWS. Ferner hat sie dargelegt, dass keine Bewegungseinschränkungen resultieren, so dass lediglich von geringen funktionellen Auswirkungen im Sinne von seltenen und kurzen dauernd auftretenden leichten Wirbelsäulensyndromen gesprochen werden kann, die mit einem Einzel – GdB von 10 zu erfassen sind.

So hat sich in der gutachterlichen Untersuchung eine regelrechte Konfiguration des Schädels gezeigt. Die Schädelkalotten sind nicht klopfschmerzhaft gewesen, die Nervenaustrittspunkte frei. Inklination und Reklination waren ebenso wie die Seitwärtsdrehung des Kopfes regelrecht. Es fand sich kein lokal umschriebener Druckschmerz.

Der Finger – Boden – Abstand hat mit 0 cm eine optimale Fähigkeit zum Vorbeugen dokumentiert. Auch die Lateralflexion des Rumpfes und die Rotation sind ungestört gewesen; der Muskeltonus insgesamt unauffällig, insbesondere ohne spastische Zeichen und Faszikulieren. Atrophien haben sich nicht gefunden. Im Armvorhalteversuch und im Beinhalteversuch hat keine Absinktendenz bestanden. Die Zeichen nach Lasègue sind beidseits negativ gewesen. Die L5-korrelierten Tibilas-SSEP sowie die C5/6-korrelierten Medianus-SSEP haben einen Normalbefund gezeigt.

Der klinische Befund der Sachverständigen wird im Bericht der Q. – Klinik aus dem Januar 2016 bestätigt, wobei die Klägerin bei Aufnahme über sehr starke Rückenschmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule klagte, für die kein organisches Korrelat erkennbar ist. Die Funktionsprüfung zeigte weder Einschränkungen der Beweglichkeit, noch sensomotorische Defizite der Extremitäten. Im orthopädischen Konsil wurde die Diagnose eines chronischen LWS – Syndroms mit multisegmentaler beginnender Facettenarthrose ohne Bandscheibenvorfall bei Blockierungen des linken Ileosakralgelenkes und der Brustwirbelsäule diagnostiziert. Die Blockierungen seien in der Rehabilitation manuell gelöst worden.

Eine aktuelle orthopädische Behandlung findet nicht statt (nach dem Fragebogen über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen von Ende Oktober 2016: letzte Vorstellung beim Orthopäden im vierten Quartal des Jahres 2015).

3. Im Funktionssystem "Stoffwechsel und innere Sekretion" bedingt das aktenkundige Lipödem an beiden Unterschenkeln (vergleiche S. 33 des Sachverständigengutachtens; Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Q.), ohne dass eine wesentliche Funktionsbehinderung durch die Klägerin vorgetragen oder sonst dokumentiert wäre, keinen weiteren Einzel – GdB (vergleiche Z. 9.2.3 zum Lymphödem; zur Heranziehung dieser Ziffer beim Lipödem: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03. Dezember 2014 – L 7 SB 69/09 –, Rn. 48, juris).

IV. Der Gesamt – GdB beträgt damit - abseits eines Ausnahmefalles nach Teil A Z. 3 d) ee) VMG, nachdem Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen – 40.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung